EuGH: Klagerecht für Umweltverbände

Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs: Umweltverbände haben das Recht auf Klage gegen Großprojekte auch wenn das nationale Verfahrensrecht dies nicht zulässt.

„ Wie weit reichen die Klagerechte von Naturschutzverbänden?“ Diese Frage hatte das Oberverwaltungsgericht Münster dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Diesem Verfahren zugrunde lag die Klage des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gegen die Teilgenehmigung eines Steinkohlekraftwerks. Der BUND machte den Verstoß des Vorhabens gegen wasser- und naturschutzrechtliche Vorgaben sowie gegen Vorschriften der immissionsschutzrechtlichen Gefahrenvorsorge geltend. Insbesondere die Ansicht, das Vorhaben könne FFH-Gebiete beeinträchtigen, teilte das Oberverwaltungsgericht Münster.

Da sich die Klage nicht gegen eine Planfeststellung, sondern gegen eine Plangenehmigung richtete, konnte der BUND keine Verbandsklage nach dem Bundesnaturschutzgesetz erheben. Sein Klagerecht konnte er einzig aus dem 2006 erlassenen und europarechtliche Vorgaben umsetzenden Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz herleiten.

Dieses sieht jedoch vor, dass nur eine Verletzung solcher Rechtsnormen gerügt werden kann, die Rechte Einzelner begründen. Die Vorschriften, deren Verstoß der BUND vorgebracht hatte, dienten jedoch ausschließlich den Interessen der Allgemeinheit bzw. der Natur. Nach dem Wortlaut des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes steht dem BUND damit aufgrund der von ihm gerügten Rechtsverstöße ein Klagerecht nicht zu.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat am Donnerstag (12.05.2011) klargestellt, dass eine Nichtregierungsorganisation, die sich für den Umweltschutz einsetzt, vor Gericht gegen Entscheidungen vorgehen darf, die „möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben“. Und das, „obwohl das nationale Verfahrensrecht dies nicht zulässt“. Die deutschen Gesetze schränke die Klagerechte von Umweltverbänden bei Genehmigungsverfahren unzulässig stark ein, so der EuGH.

Der EuGH hat im einzelnen wie folgt befunden:

  • Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten in der durch die Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 geänderten Fassung steht Rechtsvorschriften entgegen, die einer Nichtregierungsorganisation im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 85/337 in der durch die Richtlinie 2003/35 geänderten Fassung, die sich für den Umweltschutz einsetzt, nicht die Möglichkeit zuerkennen, im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung, mit der Projekte, die im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 85/337 in der durch die Richtlinie 2003/35 geänderten Fassung „möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben“, genehmigt werden, vor Gericht die Verletzung einer Vorschrift geltend zu machen, die aus dem Unionsrecht hervorgegangen ist und den Umweltschutz bezweckt, weil diese Vorschrift nur die Interessen der Allgemeinheit und nicht die Rechtsgüter Einzelner schützt.
  • Eine solche Nichtregierungsorganisation kann aus Art. 10a Abs. 3 Satz 3 der Richtlinie 85/337 in der durch die Richtlinie 2003/35 geänderten Fassung das Recht herleiten, im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung, mit der Projekte, die im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 85/337 in der geänderten Fassung „möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben“, genehmigt werden, vor Gericht die Verletzung von aus Art. 6 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen in der durch die Richtlinie 2006/105/EG des Rates vom 20. November 2006 geänderten Fassung hervorgegangenen nationalen Rechtsvorschriften geltend zu machen, obwohl das nationale Verfahrensrecht dies nicht zulässt, weil die angeführten Vorschriften nur die Interessen der Allgemeinheit und nicht die Rechtsgüter Einzelner schützen.

SK

Quelle: EuGH, Urteil vom 12. Mai 2011, Rechtssache C-115/09

Teilen mit: